Pyrenäischer FaceRase-Kopf: Dreieckig ( = breiter und flacher Schädel, sanfter Übergang vom Schädel zum Fang, konische Form des Fangs, die Relation Schädellänge:Fanglänge liegt eher bei 60:40 als bei 55:45), dunkle, mandelförmige Augen, schwarze Nase; zur Zeit sieht man viele FaceRase mit schmalem Schädel, viel zu langem Fang, mit hellen bis sehr hellen Augen: All das sind erhebliche Fehler – und das ist unpyrenäisch…
Zerberus vom Wunderhorn (*17.03.2018; Urdos vom Wunderhorn x Trimbareilles vom Wunderhorn), Foto: Marta Helene Tofte
Auf dem RSPO2-Genort reinerbig für n/n bzw. f/f = keine Ausstattung mit Augenbrauen, Schnauz- und Kinnbart und langen Haaren an den Frontseiten der Gliedmaßen = Piémont-Typ: Zerberus vom Wunderhorn (*17.03.2018; Urdos vom Wunderhorn x Trimbareilles vom Wunderhorn), Foto & B.: Marte Helene Tofte
Zerberus vom Wunderhorn (*17.03.2018; Urdos vom Wunderhorn x Trimbareilles vom Wunderhorn), Foto: Malene Norman Jense, B.: Marte Helene Tofte
Auf dem RSPO2-Genort hypothetisch mischerbig für n/F2 bzw. f/F2? (der Hund ist nicht getestet) = sehr geringe Ausstattung mit Augenbrauen, Schnauz- und Kinnbart und Fell an den Frontseiten der Gliedmaßen = klassischer FaceRase-Typ, aber nah am Piémont-Typ: Zola vom Wunderhorn (*17.03.2018; Urdos vom Wunderhorn x Trimbareilles vom Wunderhorn), Foto & B.: Heike Beckermann

Grundsätzliches:

Ob ein BdP ein Langhaar- bzw. Mittellanghaar-BdP wird oder ein „Face Rase“, das wird auf einem einzigen Genort entschieden: Der Locus RSPO2 .

Reinerbig dominant ist der Typ von St. Béat ( F / F ),

der Typ von Bagnères-de-Bigorre kann sowohl mischerbig ( F / F2 ) als auch reinerbig sein ( F2 / F2 ),

der Typ von Arbazzie als der Wunschtyp des Standards von 1923 bis 2001 ist mischerbig ( F2 / f ) – so auch der traditionelle Face Rase (er hat bis zu mittellanges (angeblich max. 6-7 cm) Fell am Körper > s.u.: Lutour),

reinerbig rezessiv ( f / f ) ist der Piémont (Glatthaar am Kopf und am Körper > s.u. Vanesse du Hic).

Der Übergang von Mittellang zu Face Rase sowie der Übergang von Face Rase zu Piémont erscheint fließend, daher auch die manchmal widersprüchlichen Einstufungen durch die Körrichter. Eindeutig einstufbar sind meistens Langhaar und Piémont – beide sind aber auf Dauer unpyrenäisch: Der Langhaar bekommt in m.o.w. F-Generationen eine immer reichlicher werdende Kopfbehaarung und verliert so den pyrenäischen Ausdruck, der Piémont ist durch die geringe Unterwolle für die Arbeit auf den Almen der zentralen Pyrenäen nicht genügend geschützt.

Ob der Genort RSPO2 nach dem Schema Ja-Nein bzw. Schwarz-Weiß funktioniert, muss bezweifelt werden. Eher ist anzunehmen, dass er analog zum Merle-Genort arbeitet, d.h. die Anzahl der Basenpaare bzw. die Länge des Chromosomenabschnitts, den der Genort RSPO2 einnimmt, entscheidet über die Felllänge am Körper. Das bedeutet, dass sich weder die klassischen Face Rase noch die klassischen Mittelanghaar züchterisch stabilisieren lassen – der Übergang zwischen beiden Typen in der Abfolge der Generationen ist und bleibt gleitend. Es ist die Kunst des Züchters und seine Fortüne, diese Typen dennoch so lange wie möglich zu züchten, ohne auf den Piémont als Korrektiv zurückgreifen zu müssen.

AKTUALISIERUNG der Kenntnisse vom RSPO2-Genort am 08.06.2021:

Bislang waren für diesen Genort zwei Allele bekannt: Eines, nämlich f, verhindert die Ausstattung mit Kinn- und Schnauzbart und Augenbrauen sowie langes Fell an der Frontseite der Gliedmaßen, wenn es reinerbig ist f/f, das andere, nämlich F, liefert mehr (wenn es reinerbig ist: F/F) oder weniger Ausstattung (wenn es mischerbig ist: F/f). Man hat nun erkannt und molekulargenetisch lokalisiert, dass es statt eines F-Allels deren zwei gibt: F ist für reichliche Ausstattung zuständig ( = strong furnishing), F2 ist für reduzierte Ausstattung zuständig ( = weak furnishing) > https://www.animalgenetics.us/Canine/Canine-color/Furnishings.asp?fbclid=IwAR1dmwyvxSPQgpVKD8GRSfQIVXw2IjFg6E3PG3-AMeBYCIhJQ90HpFLduw8

Die möglichen Genotypen auf dem Genort RSPO2 sind also jetzt:

F/F = ein Hund mit zwei Kopien für reichliche Ausstattung > viel Fell an Kopf und Körper: Dürfte dem Typ von Saint Béat entsprechen…

F2/F2 = ein Hund mit zwei Kopien für schwache Ausstattung >  dieser Hund wird zwar auch Augenbrauen, Schnauz- und Kinnbart sowie Fell an der Frontseite der Gliedmaßen haben, aber deutlich weniger als ein F/F-Hund: Dürfte dem Typ von Arbazzie entsprechen, d.i. der Basistyp des Standards…

F/F2 = ein Hund mit einer Kopie für starke Ausstattung und mit einer Kopie für schwache Ausstattung > dieser Hund sollte einen Zwischenzustand zeigen: Dürfte dem Typ von Bagnères-de-Bigorre entsprechen…

F/f = ein Hund mit einer Kopie für starke Ausstattung und mit einer Kopie für keine Ausstattung > dieser Hund wird ebenfalls einen, wenn auch anderen Zwischenzustand zeigen.

F2/f = ein Hund mit einer Kopie für schwache Ausstattung und mit einer Kopie für keine Ausstattung > dieser Hund wird vermutlich nur eine sehr schwach ausgeprägte Ausstattung zeigen: Dürfte dem Face Rase genannten Typ entsprechen…

f/f = ein Hund ohne Kopie für Ausstattung > dieser Hund dürfte dem Typ entsprechen, den wir den Piémont nennen…

Es gehört zur Mischerbigkeit eines für die Rasse entscheidenden Merkmals der Kopfbehaarung dazu, dass immer wieder sowohl reinerbig langhaarige als auch reinerbig glatthaarige BdP in den Würfen vorkommen. Sie werden wechselseitig als Korrektiv gebraucht, um aus reinerbigen wieder mischerbige RSPO2-Träger zu züchten. Die Mischerbigkeit auf dem ein wesentliches Rassekennzeichen entscheidenden Genort ist eine Ausnahme in der Rassehundezucht und eine Herausforderung für jeden BdP-Züchter.

Da heutzutage der besonders langhaarige Hund sich der Publikumsgunst erfreut, sind viele Züchter versucht, diesem Wunsch willfährig nachzukommen. Die Gefahr, die sich daraus ergibt, nämlich der Mangel an Ausdruck, habe ich schon erwähnt. Es ist die besondere Kunst des Langhaar-Züchters, auf der molekulargenetisch noch nicht ergründeten Länge des Chromosomenabschnitts RSPO2 wie auf einer Klaviatur zu spielen, um langhaarige BdP mit pyrenäischem Ausdruck zu züchten. Vergessen sollten diese Züchter nicht, dass ein besonders langes Fell für die Arbeit des Hütehundes im Salon willkommen, im Hochgebirge aber kontraproduktiv ist…

Verschweigen will ich nicht, dass es einen wesentlichen Unterschied gibt zwischen dem Langhaar-BdP und dem Face Rase: Die Mentalität. Die Face Rase sind oft etwas weniger temperamentvoll und oft etwas weniger initiativenreich, also führiger, als der Langhaar-BdP. Dieser Unterschied ist bereits in der ersten Version des FCI-Standards von 1926 festgehalten. Die genetische Basis für diesen Unterschied kennen wir noch nicht. Es ist also bislang nur von einer offensichtlichen Korrelation, aber noch nicht von einer gesicherten Kausalität auszugehen im Verhältnis von Mentalität und Felllänge beim BdP.

Verschweigen will ich auch nicht, dass es mehrere Untertypen im Face Rase- bzw. Piémont-Bereich gibt, die man nach ihrer Pyrenäität kategorisieren kann: Der pyrenäischste Untertyp wird repräsentiert von Lutour (> s.u.) und in perfekter Weise von Bellis (> s.u.). Der schon etwas weniger pyrenäische Untertyp wird repräsentiert von Vanesse und Xampan (> s.u.) – und der am wenigsten pyrenäische Untertyp der Glatthaar-Bergers ist der Kuhtreiberhund der Pyrenäen mit stark betontem Stop, kurzem Körper und steilen Winkelungen in Vorhand und Hinterhand.

Fazit: Je konvergenter der Gesamtphänotyp von Langhaar- bzw. Mittellanghaar-BdP und Face Rase, um so kompatibler sind beide in der wechselseitigen Zuchtverwendung. Je divergenter im Phänotyp, um so mehr zerstören die Kuhtreiber-Piémont sowohl den Körperbau als die Kopfstruktur des BdP, sei er nun Langhaar-, Mittellanghaar- oder Face Rase-BdP.

Lutour (*1920; in: Dhers & Rufer, Chiens de Garde, de Berger, de Luxe, Lévriers et Terriers, 1956; J. Dhers stammt aus den Pyrenäen, war 1914-18 als Offizier zuständig für die Indienstnahme von Berger des Pyrénées in die Armee als Verbindungs- und Sanitätshund und hat seit den frühen 1930er Jahren eng mit Bernard Sénac-Lagrange zusammengearbeitet, Kompetenz ist ihm ganz gewiss NICHT abzusprechen):

Wir sehen einen Face Rase-Rüden, dessen Felllänge eindeutig mischerbig ist auf dem Locus RSPO2 – wir würden ihn heute aufgrund besserer Kenntnisse eher als mittellanghaarigen Berger bezeichnen – aber gerade dies ist ein bemerkenswerter Hinweis darauf, dass traditionelle FaceRase KEINE Piémont sind/waren.
Wie schon im Frontal-Bild sehen wir mit Lutour auch hier einen Hund, der „vorn zu weit nach vorn kommt“, d.h. der eine steile Schulterlage und/oder eine zu offene Winkelung von Schulterblatt und Oberarm hat. Von diesem Fehler abgesehen, entspricht sowohl die Kopfstruktur als auch der Körperbau weitestgehend dem des Langhaar-Berger: Eine „Kreuzung“ zwischen beiden Varietäten nutzt unter diesen Voraussetzungen sowohl dem auf RSPO2 reinerbigen Langhaar-Berger ( F2 / F2 ; seine Behaarung am Kopf bleibt „im Windstoß“) – und diese „Kreuzung“ ergibt auch mischerbige Mittellanghaar ( F2 / f ) und echte Face Rase. Durch die Konvergenz der beiden Varietäten ergibt sich eine klassische Win-Win-Situation! Spielt man hingegen die beiden Varietäten gegeneinander aus, indem man statt auf Konvergenz auf Divergenz setzt, verlieren beide: Die Kopfbehaarung des Langhaar wird immer mehr „briardisiert“, die Varietät verliert definitiv ihren pyrenäischen Ausdruck – und der Face Rase wird schlussendlich reinerbig rezessiv auf RSPO2 ( f / f ) und mutiert so zum Piémont des Pyrenäen-Vorlandes…

Bellis vom Pfiffigen Lüner (*11.11.2010; Apollo vom Hause Zerrath x Finta Semplice vom Wunderhorn), Z. Drs. Christian & Wiebke Geiping; Bellis ist das Paradebeispiel für die Konvergenz von Langhaar- und Mittellanghaar-BdP mit dem Face Rase – hier macht nur noch die Felllänge den Unterschied zwischen den beiden Varietäten, alle anderen Kriterien in Kopfstruktur und Körperbau sind identisch!

3 x Romarin de l’Estaubé (*23.10.1980; Orme x O’Estaubée): Von seinem Züchter als Mittellanghaar, von Charles Duconte (Nachfolger von Bernard Sénac-Lagrange als Präsident der RACP und mit BSL seit den 1930er Jahren zusammenarbeitend) als Face Rase definiert! Mansencal hatte Romarin 1982 auf der 1. Clubschau der RACP in Poitiers als Mittellanghaar gemeldet, Duconte als Richter dieser Schau hat dort den Rüden in Face Rase umsortiert – ein Indiz dafür, dass die mischerbigen Glatthaar die echten Face Rase sind. Duconte stammte ebenfalls aus den Pyrenäen, war in den frühen 1930er Jahren Direktor des Hôtel Continental in Cauterets und organisierte zusammen mit Bernard Sénac-Lagrange die Ausstellungen in Cauterets.

Romarin 1981
Romarin 1982
Romarin1983

4 x O’Estaubé – die Mutter von Romarin:

O’Estaubé – 15 Jahre alt

Tolosane du Pic de Marboré (*05.05.1982; Romarin de l’Estaubé x Soumise), Z. und B.: Clémentine Assibat:

Eine enge Verwandte von O’Estaubé…

Tourmalet Bleu de l’Estaubé (*22.02.1982; Muscadin (fauve) x Réglisse de l’Estaubé (grau-schwarz-Harlekin)):

Vanesse du Hic (*1972; Quino du Hic x Qualyne de Golden Roc):

Xampan vom Wunderhorn (*11.07.2017; Malik de la Petite Noire x Trimbareilles vom Wunderhorn) aus einer Paarung Langhaar x Glatthaar – Xampan wiederholt den Typ von Vanesse, obwohl er 1. absolut nicht mit ihr verwandt ist und obwohl 2. ca. 50 Jahre zwischen beiden Hunden liegen. Die Konstanz des Typs ist bemerkenswert!

L’Éleveur, 25. 12. 1932: Ein Inserat aus Luxemburg – Micko ist ein FR im Typ von Vanesse du Hic oder Xampan vom Wunderhorn (s.o.):

L’Éleveur, 31. 12. 1905: Ein interessierter Leser, M. de Saint-A…., wendet sich an den Herausgeber der Zeitschrift, Paul Mégnin, mit der Bitte um Beurteilung von zwei BdP, die er aus den Pyrenäen zu sich nach Sèvres in der Nähe von Paris gebracht hat.

Wir sehen vermutlich (!) ein FR-Paar, links die hellgelbe Hündin mit unpyrenäischer Kopfstruktur, rechts der schwarze Rüde, das M. de Saint-A…. aus der Umgebung von Bagnères-de-Bigorre mitgebracht hat und das auch schon Nachkommen hat mit grauer Fellfarbe und Flecken… Der Schnitt der Ohren entspricht bei beiden Hunden durchaus pyrenäischer Kupiertradition. Der Baron gibt an, dass er das Paar in der Nähe von Bagnères-de-Bigorre gekauft hat auf zwei verschiedenen Bauernhöfen – er lokalisiert aber Bagnères-de-Bigorre in dem Département Basses-Pyrénées, während es in Wirklichkeit im Département Hautes-Pyrénées liegt… merkwürdig…

M. de Saint-A… beschreibt den Rüden als einheitlich schwarz, mit leicht dunkelrotem Anflug auf dem Rücken, ein Anflug von Mausgrau auf dem Kopf, die Augen sehr lebhaft, hellfauve… Der Kopf mit glatten Haaren, die Ohren dichter behaart, etwas abstehender Backenbart und eine Halskrause aus längeren, geraden Haaren; zum Ellbogen hin etwas längere Haare und auf der hinteren Körperhälfte langes und seidigeres Fell; absolut keine gekräuselten Haare. Die Hündin ist hellfauve; Bauch und Beine sind halb weiß, einige schwarze Haare auf dem Kopf und auf dem Rücken, allgemein kürzere Haare als beim Rüden, aber sie hat einen Wurf gehabt und viel Fell verloren. Die beiden Hunde haben einen Wurf gehabt, woraus ich einige Welpen behalten habe; sie sind grau mit mehr oder weniger intensiv schwarzen Flecken; zwei haben zusätzlich weiße Flecken…

Hellblaue Augen. Welche davon haben die beste Farbe? Könnten Sie mir bitte, nach diesen Angaben, Ihre Meinung dazu sagen? Der Rüde hat doppelte Afterzehen an den Hinterfüßen, also zwei an jedem Hinterfuß

Die Antwort von Pierre Mégnin in Auszügen: Den beigefügten Fotos nach zu urteilen müssten die Hunde gut 60 cm groß sein… Die Rute der Hündin ist nicht sichtbar auf den Fotos, die des Rüden scheint gekürzt zu sein, aber recht gut behaart. Eine Verwandtschaft dieser Hunde mit dem Berger du Languedoc besteht unzweifelhaft. Kurz: Mégnin verliert sich in Spekulationen und zeigt, dass er persönlich noch keine BdP zu Gesicht bekommen hat…

Historisches Foto, in den 1930er Jahren in den Pyrenäen aufgenommen – wir sehen neben einem Pyrenäen-Berghund große Face Rase, die den Hunden von 1905 (s.o.) gleichen:

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